Grundlagen der Haftreibung und Reibung
Das Thema Reibung ist nicht nur für die Technische Mechanik 1 von fundamentaler Bedeutung. Ausnahmslos alle ingenieurtechnischen Richtungen sind auf die Grundlagen der Haftreibung und Reibung angewiesen. Auf dieser Seite werden daher die Wissensgrundlagen zum Thema Reibung geschaffen.
Wie entsteht Reibung?
Kontakt zweier Körper
Zunächst einmal müssen zwei Körper miteinander in Kontakt steht und sich berühren. Ohne einen Kontakt der beteiligten Körper gibt es auch keine Reibung. Die 1977 gestartete Raumsonde Voyager 2 ist bis heute noch in den Tiefen des Weltalls mit einer Geschwindigkeit von über 50.000 km/h unterwegs. Richtig gelesen: Das sind über 15 Kilometer pro Sekunde. Diese Geschwindigkeit kann nur erreicht werden, weil die Sonde keinerlei Kontakt und somit keine ausbremsende Reibung hat. Sie rollt weder auf eine Fahrbahn noch gleitet sie durch eine ausbremsende Atmosphäre. Reibung entsteht nicht nur in der Kontaktfläche zweier Körper sondern auch zwischen Körper und Medium, wie etwa Luft. So oder so muss Kontakt bestehen, damit es zur Reibung kommt.
Oberflächenbeschaffenheit
Wenn zwei Körper in Berührung sind, entsteht Reibung. Wie groß die auftretende Reibung allerdings ist, hängt von der Oberflächenbeschaffenheit der Reibflächen ab. Die Beschaffenheit der Oberfläche ist außerdem die Größe, die aus ingenieurtechnischer Sicht sehr interessant ist. Hier hat man eine gute Möglichkeit, die Reibung zu beeinflussen. Kurzgesagt: Will man die Reibung reduzieren, sorgt man für eine glatte Oberfläche. Ist hingegen eine hohe Reibung erforderlich, sorgt man für eine raue Oberfläche.
Ist Reibung gut oder schlecht?
Ausgezeichnete Frage! Reibung kann unbedingt erforderlich sein: Eine Bremse würde ohne Reibung beispielsweise gar nicht funktionieren. Auch das Gehen zu Fuß wäre ohne Reibung (zwischen Schuhsohle und Gehweg) nicht möglich. Wer schon mal versucht hat, auf einem zugefrorenen See zu gehen, kann das bestätigen. Andererseits kann Reibung auch sehr hinderlich sein: Fährt ein Auto auf der Autobahn mit einer konstanten Geschwindigkeit, dann wird der größte Teil des Verbrauchs dafür genutzt, unerwünschte Reibungen zu überwinden. Zu den unerwünschten Reibungen gehören die Luftreibung und die Reibung im Innenleben des Antriebs (Motor, Getriebe und Antriebsstrang). Kurzgesagt: Reibung ist gut und schlecht gleichzeitig. Je nach Anwendungsfall ist Reibung unbedingt erforderlich und damit gut oder Reibung ist extrem hinderlich und damit schlecht.
Was versteht man unter Haftreibung?
Kurzgesagt: Haftreibung ist Reibung in der Ruhelage. Das bedeutet, dass sich die betroffene Reibfläche bzw. der betroffene Körper nicht bewegt. Eine ruhende Kiste auf der schiefen Ebene (s. Abbildung) kann den Gedanken näher bringen: Wie schafft sie es, nicht zu rutschen und trotz der Neigung der Ebene dort zu bleiben, wo sie ist? Die Antwort ist keine Überraschung: Die Kraft, die den Klotz hält, ist die Haftreibung \( F_H \). Sie ist stets so gerichtet, dass sie die bevorstehende Bewegung ausbremst. In diesem Fall treibt die Gewichtskraft \( F_G \) die Kiste dazu an, die Ebene bergab zu rutschen. Die bevorstehende Bewegung ist also bergab gerichtet. Nun widersetzt sich die Haftreibung und erzeugt eine entgegengesetzte Kraft \( F_H \), die die Bewegung verhindert.
Was versteht man unter Gleitreibung?
Kurzgesagt: Gleitreibung ist Reibung bei Bewegung. Die betroffenen Reibflächen bzw. die betroffenen Körper sind in Bewegung. Wenn umgangssprachlich von Reibung die Rede ist, dann ist damit die Gleitreibung gemeint. Rutscht eine Kiste die schiefe Ebene runter, dann reibt die Unterseite der Kiste an dem Boden (s. Abbildung). Die Gleitreibung bzw. Reibung \( F_R \) ist stets entgegen der Bewegung gerichtet und wirkt somit immer ausbremsend.
Was ist der Unterschied zwischen Haftung und Reibung?
Gute Frage! Der Unterschied zwischen Haftreibung \( F_H \) und Gleitreibung \( F_R \) ist folgender: Beim Haften (Haftreibung) gibt es keine Bewegung. Die betroffenen Körper befinden sich in der Ruhelage. Beim Reiben (Gleitreibung) hingegen ist die Geschwindigkeit nicht mehr null und die betroffenen Körper bewegen sich zueinander. Je nach Anwendungsfall, nutz man den Haftreibungskoeffizient \( \mu_H \) oder den Gleitreibungskoeffizient \( \mu_R \).
Wo taucht Reibung auf?
Reibung taucht überall auf. Es gibt keine technischen oder ingenieurtechnischen Gebiete, in denen die Reibung vernachlässigt wird. Hier ein kleiner Auszug mit Produkten und Anwendungen, die eng mit der Reibung in Verbindung stehen:
- Fahrradreifen und Autoreifen
- Kugellager und Gleitlager
- Kupplungen (reibschlüssig)
- Welle-Nabe-Verbindung (Pressverbindung)
- Schrauben und Nägel
- Anwendungen in der Lebensmittelindustrie
- Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt
Lediglich bei unbedeutenden Überschlagsrechnungen und bei den meisten akademischen Beispielen wird Reibung vernachlässigt. Außerdem bewegt sich alles, was die Erdatmosphäre verlässt, reibungsfrei. Das erlaubt Satelliten und Flugkörpern im Weltraum hohe Geschwindigkeiten von über 50.000 km/h. Tritt ein Körper mit einer solch hohen Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre ein, so wird er durch die Reibung mit der Luft ausgebremst. Und zwar so stark, dass die meisten kleinen Körper wegen der Reibungswärme vollständig verglühen, bevor sie überhaupt die Erdoberfläche erreichen. Sternschnuppen sind nichts anderes als Gesteinsteilchen, die mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre eindringen und wegen der Reibung am Nachthimmel so stark erhitzt werden, dass sie letzlich verglühen. Und genau in diesem Augenblick sieht man den typischen Lichtschweif einer Sternschnuppe.
Reibungszahl und Reibungskoeffizient
Wie groß die Reibkraft ist, kann man zahlenmäßig mithilfe des Reibungskoeffizients \( \mu \), auch Reibungszahl genannt, bestimmen:
$$F_R = \mu \cdot F_N$$
Der Reibungskoeffizient ist einheitenlos und wird für akademische Zwecke üblicherweise aus Tabellen grob abgelesen. In der Praxis sind die Tabellenwerte oft nicht genau genug, sodass die Reibungszahl experimentell für jeden Einzelfall individuell ermittelt werden muss. Bei der Reibungszahl wird zwischen der Haftreibungszahl \( \mu_H \) und der Gleitreibungszahl \( \mu_G \) unterschieden.
Tabelle der Reibungszahlen
Wie eingangs erwähnt, ist es in der Praxis nicht so einfach, die korrekten Reibungszahlen zu ermitteln. Nichtsdestotrotz kann man sich an den Richtwerten für die Reibungszahlen orientieren. Bei den Reibungskoeffizienten muss man zwischen einer trockenen Anwendung und einer nassen bzw. geschmierten Anwendung unterscheiden. Bei Nässe und Schmierung (Öle und Fette) ist die Reibungszahl deutlich geringer als bei Trockenheit.
Hinweis: Der Reibungskoeffizient bei Nässe/Schmierung steht in der Klammer.
Werkstoffpaarung | Haftreibungszahl \( \mu_H \) | Gleitreibungszahl \( \mu_G \) |
Stahl/Stahl | 0,5 (0,1) | 0,4 (0,1) |
Stahl/Gusseisen | 0,2 (0,1) | 0,18 (0,1) |
Stahl/Reibbelag | 0,6 (0,3) | 0,55 (0,3) |
Stahl/Holz | 0,55 (0,1) | 0,35 (0,05) |
Holz/Holz | 0,5 (0,2) | 0,3 (0,1) |
Gusseisen/Gummi | 0,5 (-) | 0,45 (-) |
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